Vor kurzem musste ich feststellen: Es gibt immer noch Radios zu kaufen. Ich gehe davon aus, dass eher Menschen im Alter von 60+ noch „Yey“ zu Radios sagen. Generation Y und Z findet solche Geräte ähnlich unattraktiv wie Telefonbücher und ich spreche hier nicht von dem auf deinem Smartphone. Im Ernst: Wer benutzt diese dicken Schinken noch?

Wenn meine Generation statt Podcasts doch mal wieder Radio hören möchte, dann tun wir das meist online. Genau wie beim analogen Radio hören, werden auch im Internet alle Sender gleich gut oder gleich schlecht übertragen. Das haben wir der Netzneutralität zu verdanken.

Netzneutralität_Technologieengel

Was ist die Netzneutralität?

Unabhängig vom Sender, Empfänger, Standort, Inhalt, Service und der Anwendung müssen alle Datenströme durch ein Netzwerk gleich behandelt werden. Netzneutralität bedeutet also, dass die Internetanbieter alle Daten gleich behandeln und gleich schnell oder langsam übertragen müssen. Daten, die durch das Internet übertragen werden, dürfen also nicht diskriminiert werden. Am Beispiel des Radios würde völlige Netzneutralität bedeuten, dass alle Sender mit identischer Geschwindigkeit übertragen und kein Sender bevorzugt oder benachteiligt wird. Wird für Sender A die Übertragungsgeschwindigkeit gedrosselt, muss dies in gleichem Umfang auch für Sender B geschehen.

Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen kleinen Regionalsender oder einen öffentlich-rechtlichen Sender handelt. Nach europäischem Recht muss der Provider dafür sorgen, dass die Daten aller Sender gleichberechtigt übermittelt werden und kein Sender begünstigt oder benachteiligt wird. Die Infrastruktur, die Kabel oder das Wlan-Netz stellt also der Internetanbieter zur Verfügung. Alle Marktteilnehmern müssen diese, unabhängig von ihrer Größe oder der Art der Inhalte, ohne Qualitätsunterschiede nutzen können.

Was würde passieren, wenn es keine Netzneutralität gäbe?

Stell dir drei Straßen vor, auf denen mit Radios beladene LKW’s fahren. Sie müssen diese Radios so schnell wie möglich zum Verbraucher bringen. Dabei ist allerdings eine Straße nur für LKW’s mit Radios der Marke „Radios4life“ reserviert. Alle anderen müssen sich auf den zwei verbliebenen Spuren drängeln. Es kommt zum Stau und die LKW’s kommen natürlich dementsprechend langsam voran. Schon bald würde „Radios4life“ viel mehr Radios verkaufen, als alle anderen Radio-Anbieter. Die Neutralität wäre in diesem Beispiel nicht gewährleistet, da das Straßennetz nicht für alle gleich zugänglich ist.

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Wäre ein Provider also dazu berechtigt, beispielsweise die Daten einer Online-Zeitung deutlich schneller zu übertragen, als die Daten einer anderen Online-Zeitung, würde die langsamere Zeitung langfristig Leser verlieren. Folglich würden die dort vertretenen Meinungen in öffentlichen Diskussionen weniger Gewicht haben. Je weniger Besuche diese Zeitung verzeichnen kann, desto mehr verliert sie an Einfluss. Bei fehlender Netzneutralität wäre es Providern somit möglich, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Neutralität adé in den USA

Vor zwei Jahren wurde die Netzneutralität in den USA abgeschafft. Netzbetreibern ist es nun erlaubt, Daten von bestimmten Diensten gegen Bezahlung schneller zu übertragen. Immerhin müssen die Provider veröffentlichen, ob sie einigen Diensten eine schnellere Datenübertragung ermöglichen. Kritiker befürchten, dass große Anbieter, wie Zeitungen, Streaming-Plattformen und Fernsehsender, noch weiter wachsen, indem sie sich schnellere Datenübertragung kaufen. Neue und alternative Medienplattformen hätten so kaum noch eine Chance.

Doch auch für die User könnte das zum Nachteil werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich die größeren Anbieter die bevorzugte Behandlung gut bezahlen lassen werden und diese Kosten durch Preiserhöhungen an die User weitergeben.

Außerdem darf man nicht vergessen, dass es in einigen abgelegeneren US-Regionen nur einen einzigen Breitbandanbieter gibt. Eine Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Dienste betrifft dadurch alle und kann nicht durch die Auswahl eines anderen Breitbandanbieters umgangen werden. Hinzu kommt auch noch, dass einige Breitbandanbieter auch Internetdienste anbieten und künftig ihre eigenen Dienste bevorzugen könnten.

Wie sieht es in Europa aus?

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Leider gibt es auch bereits im europäischen Raum Beispiele, bei denen der Grundsatz der Netzneutralität angekratzt wird. Bestimmte Telekommunikationsanbieter bieten für Dienste wie Amazon Prime oder Netflix im mobilen Bereich ein sogenanntes „Zero Rating“ an. Die Nutzung dieser Dienste wird den Usern nicht vom Datenvolumen abgezogen, während die Nutzung anderer kleinerer Video-Plattformen das Datenvolumen der User reduziert. Dadurch entstehen nicht nur wirtschaftliche Nachteile für die Anbieter, die nicht in diesem kostenlosen Datenvolumen enthalten sind, sondern auch die Meinungsvielfalt leidet.

Deine Meinung

Ist dir Netzneutralität wichtig? Oder würdest du Providern mehr bezahlen, wenn sie bestimmte Websiten, Radio-oder Fernsehsender, etc. schneller übertragen? Außerdem ganz wichtig: Hast du noch ein Radio? Und benutzt du ernsthaft ein Telefonbuch?

 

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Quellenangaben:
https://www.rtr.at/de/tk/Netzneutralitaet (abgerufen am 23. Juni 2019)
https://www.polyas.de/wahllexikon/netzneutralitaet (abgerufen am 23. Juni 2019)
https://www.einfache-internetseiten.de/netzneutralitaet-erklaert/ (abgerufen am 23. Juni 2019)