Nach meinem Selbstversuch, über den ich letzte Woche hier berichtet habe, wollte ich wissen, wie Experten im Bereich der Psychologie und Therapie zum Thema “Online Therapie” stehen. Aus diesem Grund habe ich mit einer klinischen Psychologin, unter anderem, über die Vor- und Nachteile solcher Therapiemöglichkeiten gesprochen und wollte von ihr wissen, ob sich “konventionelle” Therapie, der Online Therapie künftig geschlagen geben muss.
Besondere Vorteile
Neben den offensichtlichen Vorteilen einer Online Therapie, wie niedrigere Kosten und keine Anreisezeiten, weist die Psychologin vor allem auf die Nützlichkeit im Bezug auf ansteckende und chronische Krankheiten hin. Mukoviszidose (oder auch “zystische Fibrose”) beispielsweise, die häufigste vererbbare Stoffwechselerkrankung, führt zu Funktionsausfällen der Atmung und des Verdauungstraktes, da ein defektes Gen den Salz- und Wasserhaushalt der Schleimhäute stört, wodurch ein zäher Schleim Lunge und Bauchspeicheldrüse verklebt. Eine Therapie wird, aufgrund der extrem hohen Infektanfälligkeit der Patienten und der daraus folgenden peniblen Einhaltung genauer Hygienemaßnahmen (Mundschutz, Desinfektion,..), deutlich erschwert. Die Kommunikation über Tablets würde eine psychologische Behandlung, sowohl für Patient, als auch für Therapeut, stressfreier und risikoärmer gestalten.
Geringe Hemmschwelle
Sie hebt ,im Bezug auf den Einsatz von Chatbots in der Online Therapie, die oftmals sehr direkte Problembenennung und geringere Hemmschwelle hervor, wie ich es selbst in meinem Versuch erfahren habe. Die eigenen Probleme und Ängste einem virtuellen Wesen zu gestehen, fällt oft leichter, da die Befürchtung, verurteilt oder nicht ernst genommen zu werden, viel geringer ist. Auch, wenn der Akt des Sprechens unüberwindbar scheint, wie oftmals bei Depressionen, kann ein Chatbot, für den Anfang, eine gute Alternative zum menschlichen Therapeuten sein.
Nachteile
Allerdings weist sie daraufhin, dass die nonverbale Kommunikationen sehr unter Online Therapien leiden kann. Eine gute Beziehung zum Therapeuten macht, ihren Angaben nach, ein Drittel des Therapieerfolges aus und stützt sich eben nicht nur auf das Gesprochene, sondern auch auf Mimik, Gestik und Körpersprache, was eine Online Therapie und auch Chatbots nicht gewährleisten können. Desweiteren wären eine ganze Reihe an körperbezogener Therapien, die vor allem im Bereich der Essstörungen zum Einsatz kommen, nicht mehr möglich.
Deshalb ist sie auch der Meinung, dass eine Online Therapie, die Therapie und den Kontakt mit einem menschlichen Therapeuten, nicht ersetzen oder gar ablösen kann. Eine Mischung aus beidem hält sie jedoch für sinnvoll und durchaus gewinnbringend für Patienten, die beispielsweise anfangs noch anonym bleiben wollen, oder die aufgrund einer Phobie, das Haus kaum verlassen können.
Eine Frage der Präferenz
Für wen eine Online Therapie nun besonders gut geeignet wäre, würde letztlich aber eine Frage der persönlichen Präferenzen und individuellen Bedürfnisse bleiben, betont sie. Viele Betroffene wünschen sich einen Menschen aus Fleisch und Blut, dem sie ihre Probleme anvertrauen können, andere wiederum schreckt der Gedanke eher ab, zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten mit jemandem über ihre Sorgen zu sprechen. Diese Personen profitieren wahrscheinlich eher von einer Online Therapie.
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Isabella Herdega
Eigentlich besteht mein Leben aus der Aneinanderreihung von Buchstaben. Ich lasse aus ihnen Wörter entstehen, füge sie zu Sätzen zusammen und erzähle damit Geschichten. Ab und an esse ich aber auch einfach gern Pizza.